Zu Gast bei den „Göttern des Ostens“
Adler habe meine Begleiter und mich zur Sonne geflogen. Wir nähern uns ihrem Kern. Wir sind von Sonnenströmen umgeben, die nach außen brechen – Gase und geladene Teilchen. Der Mittelpunkt rückt in mein Blickfeld. Er ist eine goldene Kugel! Sie ist nicht so groß wie unsere Erde und macht einen massiven Eindruck. Sie ist das Zentrum der Sonnenaktivitäten, ein Labor, das ihre Funktionen regelt – die Schaltzentrale der Sonne.
Wir werden auf der Kugel abgesetzt. Und nun?
„Nun seid ihr bei uns!“
Aus der Kugel ist eine Gestalt in einem Gewand aus goldenem Sonnenlicht aufgestiegen. „Willkommen bei den Göttern der Sonne oder auch den Göttern des Ostens – wie ihr möchtet. Kommt, folgt mir.“
Gase umspielen unsere Füße, die so golden glänzen wie die Kugel. Die Hülle öffnet sich, wir betreten einen Gang, in dem sich eine schier endlose Treppe nach unten windet. Sie endet in einem gigantischen Raum. Seine Decke ist ein Halbrund und vermittelt den Eindruck, dass die Sonnenkugel hohl ist, der Boden ist jedoch gerade. Wir müssen auf dem Äquator sein. – Ich muss das auf mich wirken lassen. Wir sind in der Sonne …
Zu meiner Verwunderung ist der Saal kahl.
„Das ist unser Versammlungsraum. Wir haben ihn nicht geschmückt, weil wir dich erst kennenlernen wollten.“
Der Raum hat keine Türen, die Götter des Ostens brauchen sie nicht, sie gleiten durch die Wände … Einer nach dem anderen tritt aus der Wand heraus, bis eine stattliche Gruppe versammelt ist.
Die Götter tragen mit Gold durchwirkte weiße Gewänder. Ihr Körper ist menschenähnlich, aber der Kopf läuft spitz nach oben zu – fast wie ein spitzer Turm. Die Augen und die Nase befinden sich in der unteren Hälfte des „Turms“. Der Kopf ist so spitz, dass ich meinen Blick kaum davon lösen kann.
„Willkommen bei den Göttern des Ostens oder Göttern der Sonne – nennt sie wie ihr möchtet. Wir sagen Götter des Ostens, weil die Sonne im Osten aufgeht, dann beginnt für euch der Tag und jeder neue Tag ist etwas Frisches – ein Geschenk.“
„Du hast vielleicht schon gehört, dass die Sonne im Moment sehr aktiv ist. Sie wirft viel Masse ab, ist unruhig, nicht einzuschätzen. Keiner weiß, was mit ihr passiert, weil etwas Ähnliches noch nie aufgezeichnet wurde.“
„Es ist eine Warnung an die Menschen, eine Machtdemonstration der versammelten Götter des Ostens. Es könnten theoretisch auch die Bösen sein, aber die scheuen die Mühe, zu uns hochzusteigen.“
„Bin ich der erste Mensch, der euch besucht?“
„Nein. Zwei oder drei waren schon da, die Sonne hat selten Gäste. In früherer Zeit wurden die Sonne und der Sonnengott verehrt. Er ist ein Gott mit tausend Namen. Aber DEN Sonnengott gibt es nicht. Alle, die du hier versammelt siehst, sind Götter des Ostens. Von hier aus arbeiten wir gemeinsam für die Sonne und die Menschen. Wir sind Götter dieses Sonnensystems und kümmern uns nicht um andere Sonnen. Es gibt in diesem Sonnensystem noch mehr Lebewesen, nicht nur Menschen, aber ihr seid die Einzigen, die ihr als intelligent bezeichnen würdet.“
„Wir wollen dir die Macht der Sonnengötter offenbaren. Wenn du willst, kann ich die Sonne mitten am Tag abschalten. Wenn sie ihr Scheinen auf Dauer einstellt, wird die Erde sterben. Die Sonne ist ihr Lebensquell, ohne sie gibt es keine Nahrung, keine Tiere, keine Blumen, keine Pflanzen. Ihr lebt von ihr, saugt ihre Energie. Die Sonnenenergie ist lebenswichtig.“
Die Götter haben sich aufgereiht. „Es sind die Götter des Ostens, die Sonnengötter. Ihr habt jedem einen Namen gegeben. Wenn ihr einen neuen Sonnengott erschaffen würdet, käme ein weiterer zu uns. Du siehst alle Sonnengötter, die früher angebetet wurden: Sol, Eos, Ra, Donar … Alle Kulturen haben ihre Sonnengötter angebetet, ihr dagegen seht die Sonne nur noch wissenschaftlich, schickt Sonden hoch, um sie zu messen. Man kann die Sonne nicht in ein messbares System pressen, denn sie ist unberechenbar. Sie wird mehr oder weniger von uns gesteuert.“
„Wir lieben die Menschen und die Sonne soll ihnen Gutes tun, aber manchmal müssen wir etwas verändern, damit sie anfangen, zu denken. Wenn sie immer nur Gutes erfahren, glauben sie, dass es immer so ist, eine Selbstverständlichkeit. Nein, es ist nicht immer so, eine Selbstverständlichkeit ist es schon gar nicht.“
Der Sonnengott Hel tritt zu uns. „Ihr fragt euch sicherlich, warum wir euch eingeladen haben. Wir wollten euch die Sonne zeigen, wie sie wirklich ist und euch ans Herz legen, wieder zu ihren Göttern zu beten – damit sie mehr Macht bekommen, die Sonne zu beeinflussen. Diese Macht geht allmählich verloren, wir können kaum mehr als die alltägliche Arbeit leisten, das Beeinflussen wird immer schwieriger.“
….
Auf einmal stehen in der Halle gedeckte Tische und Stühle. Wir werden an den
Ehrentisch gebeten. Baal, der machtvollste Sonnengott, setzt sich zu uns. Zu ihm haben römische Kaiser gebetet. Er ist immer noch mächtig. Es gibt heute noch Menschen, die ihn verehren.
„Wir haben euch etwas zu essen serviert, es ist von der Erde und wird euch schmecken. Ohne die Sonne würde es dieses Essen nicht geben, darum ehrt sie! Der Mond wird oft von Liebenden angebetet, aber die Sonne? Sie braucht die Ehrerbietung der Menschen, damit sie wieder konstanter arbeitet und nicht die Erdenergie durcheinanderbringt – und dann glauben Menschen, das ist der Aufstieg.“ Er schmunzelt.
„Wir sind häufig belustigt über die Menschen. Die Sonnenenergie ist durcheinander, mal ist sie stärker, mal schwächer, mal wird die Erde mehr bestrahlt, mal weniger. Es wäre interessant zu erfahren, wer als Erster gedacht hat, dass dies mit 2012 und dem Aufstieg zusammenhängt, wer sich davon Profit verspricht, sowohl von den Menschen als auch der Geistigen Welt. Es ist nicht der Aufstieg! Die Sonne spielt nur ein wenig verrückt. Ihr könnt es durch Gebete und Opfer ausgleichen.“
„Schmeckt es euch?“
„Ja, das ist köstlich – wie süßer Mais.“
„Es ist etwas Ähnliches. Wir haben gute Köche hier oben. Manchmal gibt es für uns noch Opfergaben, sie werden besonders aufwändig zubereitet. Ein paar Gläubige beten noch zu Baal und Ra, ganz vergessen sind die Götter nicht.“
„Man kann an verschiedene Götter glauben und zu ihnen beten, das schmälert die Gebete nicht. Du kannst an Isis glauben und gleichzeitig an den Wettergott, den Sonnengott, die Mondgöttin … Es ist alles erlaubt.“
„Wenn ihr gestärkt seid, möchte ich euch auf die Rückreise schicken. Wir haben gesagt, was wir sagen wollten, ihr habt gesehen, was ihr sehen solltet. Die Sonne ist ein lebendes Gebilde, auch wenn sie nicht denken und handeln kann wie die Erde, aber dafür sind wir da. Ihr habt Ianana gesehen, das war eine Ehre! Sie zeigt sich den Menschen nur noch selten. Behaltet dieses Bild in eurem Herzen, auch wenn ihr nicht zu ihr betet.“
„Wisst, es gibt die Götter und sie warten darauf, dass die Menschen sich ihnen wieder zuwenden. Das war mein Abschiedswort.“
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